RebElles

Mit den Solo-Ausstellungen „show:me“ im E-Werk Freiburg und „‚Cause Cats Meow“ im Slow Club Freiburg haben die Künstlerinnen Sévérine Kpoti und Sara-Lena Möllenkamp bereits getrennt voneinander Arbeiten rund um Frauen* auf der Bühne und im Musikbusiness gezeigt. Im Oktober 2021 sind in der gemeinsamen Ausstellung „RebElles“ auf 130 qm im ZeitRaum des ArTik Freiburg neue, bisher unveröffentlichte Werke zu sehen.

„RebElles“ ist die Auflehnung gegen männlich dominierte Kunstwelten in einer binären, heteronormativ geprägten Gesellschaft, möchte den Scheinwerfer auf die vielen FLINTA*-Künstlerinnen Freiburgs lenken und soll eine Suche sein nach der Frage, wer Zeichen setzt und Geschichte schreibt.

Sévérine Kpoti, Fotografin und Kulturaktivisin aus Freiburg

Seit ihrer Jugend in der alternativen Kultur- und Musikszene engagiert, liegt der Schwerpunkt ihrer Arbeiten auf der Dokumentation sozialer und gesellschaftlicher Strukturen und Subkulturen, denen sie begegnet. Intimität und Zugehörigkeit zum Ausdruck zu bringen, gleichzeitig aber auch deren Normen und Richtlinien infrage stellend, sieht sie in ihrer Arbeit die Möglichkeit, die Gesellschaft, in der sie lebt, mit künstlerischem Ansatz zu reflektieren.

Weitere Informationen unter: http://www.severine-kpoti.de

Revolution Girl Style Now“

Als ich anfing, Konzerte zu veranstalten und zu fotografieren, (Punk-) Bands dafür zu suchen, zu buchen und zu porträtieren und mich im Vorstand eines Livemusik-Clubs zu engagieren – und damit meine größten Steckenpferde zu Beruf und Berufung machte – stieß ich schnell und unweigerlich auf die noch immer nicht selbstverständliche Präsenz und Akzeptanz von FLINTA* Personen auf (sub-) kulturellen Bühnen und die Herausforderungen, die damit einhergehen, dominante Bilder und Gepflogenheiten in dieser Bewegung und in der Musikszene zu durchbrechen. Dazu gesellte sich von außen oft eine gewisse Grundhaltung, dass all diese Dinge, die ich da mache, doch eher „männliche“ Attribute und Tätigkeiten seien und die Anstrengungen, in dieser Branche etwas zu ändern,  nicht vonnöten seien.

Was ist denn spezifisch maskulin? Was ist feminin? Und wer entscheidet darüber?
Warum macht die Musik- und Kunst-Szene einen Unterschied, wie ihre Akteur*innen sich definieren und monotonisiert die Bühnen in dem sie bestimmter Geschlechter ausschließt und nicht zu Wort und/oder zu Gesicht kommen lässt und somit einschlägige Bilder transportiert und Klischees immer wieder aufs Neue reproduziert? Und warum löst die Kritik daran regelmäßig sexistische Diskussionen aus, wenn sie explizit durch FLINTA*-Personen geübt wird?

Weibliche* Musikrevolution in der Geschichte

1976 – Mein Geburtsjahr und ein Prägendes. Die Punk-Revolution räumte mit dem eindimensionalen Frauen*bild in der heteronormativen Musikwelt auf: Nachdem die Popkultur jahrzehntelang von Männern definiert wurde, ermöglichte die egalitäre Weltanschauung der Punks Frauen*, sich erstmals in der Geschichte der Rockmusik als Musikerinnen* auszuprobieren, Bands zu gründen und aufzutreten. Punk hatte etwas sehr Motivierendes und war mit seinen zugänglichen D.I.Y.-Strukturen die erste Subkultur, die es Frauen* erlaubte, selbst zu kreativen Akteurinnen zu werden. Davon zu spüren und zu profitieren bekamen die Pionierinnen zu der Zeit – und bis heute – allerdings nur wenig.

Während in den 1990er Jahren die Riot Grrrl-Bewegung und auch der „Queercore“ in den USA diese Revolution wieder aufnahm und für nachhaltige Furore sorgte hinsichtlich des Ziels, Feminismus zu entmystifizieren, aus dem akademischen Kontext zu befreien und auch unter- schiedliche Gender-Identitäten zu einem Teil der Pop-Kultur zu machen, sind wir in Deutschland noch ein gutes Stück davon entfernt.

(Quelle: Katja Peglow, Riot Grrrl Revisited! Geschichte und Gegenwart einer feministischen Bewegung)

Zu „RebElles“

Die Ausstellung „RebElles“ möchte den abgedroschenen Satz:

„…aber es gibt halt kaum Frauen*Bands, -Acts, -DJs, etc.“

demontieren sowie diskutieren und zeigt Porträts von vornehmlich Freiburger FLINTA*-Künstlerinnen aus den Bereichen Musik und Kultur, die sichtbar und mit festen Beinen auf Bühnen stehen.
Zu den aussagekräftigen Fotografien, die während Auftritten aber auch Backstage und privat entstanden, gesellen sich Audioaufnahmen von Interviews mit den Protagonist*innen, die sich mit Fragestellungen zu Feminismus und Gesellschaft, Leidenschaft für Musik und Kunst  und den Beweggründen aber auch den  Herausforderungen, als FLINTA* Person auf der Bühne zu performen, beschäftigen.

„All Girls To The Front! I’m Not Kidding.“,
skandiert Kathleen Hanna von der Riot Grrrl-Band Bikini Kill Anfang der 1990er.
Frauen* in die erste Reihe. Aber auch: Frauen* an die Instrumente und in „männlich“ konnotierte Tätigkeiten dieser Branche, was weit über den Kontext von Rock und Punk-Musik hinaus als Beitrag zur feministischen Geschichte verstanden werden muss.
Es bedeutet aber auch: jegliche Menschen, die in unserer patriarchalen Mehrheitsgesellschaft marginalisiert werden, ebenfalls mit nach vorn – denn Queer_Feminismus bedeutet eine wichtige Kritik an sexistischen Strukturen und Diskursen.

Sara-Lena Möllenkamp, Künstlerin und Illustratorin aus Freiburg

Nach dem Studium der Literatur- Kunst- und Medienwissenschaften (B.A.) und Neuerer und Neuester Deutscher Literatur (M.A.) an der Universität Konstanz habe ich bei meiner Regieassistenz am Theater Freiburg kennen gelernt, wie aus Texten visuelle Welten entstehen. Diese Magie der Lücke zu nutzen und etwas aus ihr entstehen zu lassen fasziniert mich – und ist der Kern und Motor meiner künstlerischen Arbeit.

Arbeitsproben und weitere Informationen unter: http://www.slmkp.com

Von Vor-Bildern und Geschichte(n)

Es ist mittlerweile kein Geheimnis mehr, dass die Kunstgeschichte fälschlicherweise männlich dominiert ist. Ja, auch im Mittelalter und der Renaissance gab es Künstlerinnen, ja, die abstrakte Kunst wurde noch vor Kandinsky von Hilma Af Klint „erfunden“. Es gibt endlos viele Beispiele, die nun nach und nach Einzug in den Diskurs finden, die die bestehende Kunstgeschichte umschreiben. Wieso wurden diese Künstlerinnen, obwohl sie zu Lebzeiten erfolgreich ausstellten, verkauften, mitmischten, nicht in die Geschichte aufgenommen? Wieso ist das Musikbusiness heute immer noch männlich dominiert? Brauchen wir mehr weibliche* Vorbilder, um Künstler*innen zu ermutigen, um in Zukunft eine andere, diversere Geschichte schreiben zu können?

(Quellen / Mehr dazu: – Julia Voss: Hilma Af Klint – Die Menschheit in Erstaunen versetzen, 2020 – Ingrid Pfeiffer im Gespräch mit Vladimir Balzer: „Seitdem Kunst entsteht, gibt es auch Künstlerinnen“, Deutschlandfunk Kultur, Beitrag vom 05.01.2021 – Lost Women Art – Ein vergessenes Stück Kunstgeschichte, Arte, Beitrag vom 09.06.2021 )

Über Poesie-Alben und Puzzleteile

Ich habe sie immer noch mehr gehasst, als die Poesie-Alben selbst: die Frage „Wer ist Dein Vorbild?“. Eiskalt gefolgt von einem Unterstrich, der unausweichlichen Aufforderung, hier den Namen einer anderen Person einzutragen. Selbst wenn ich mich bis hierhin tapfer allen Unterstrichen gestellt und sie mit Buchstaben gefüttert hatte – spätestens hier wollte ich aufgeben. Ich hatte schlicht kein Vorbild. Ich konnte kaum fassen, wer ich selbst war. Das nach und nach herauszufinden, war schon schwer genug. Wie also wissen, wie ich gerne wäre, wenn ich noch nicht mal wusste, wer ich war? Außerdem: ich wollte ich sein, nicht wie irgendwer anderes, nein, ich. Und dann kam irgendwann Kurt Cobain. Ich weiß nicht mehr wo und wann, aber irgendwo sagte oder schrieb er, dass er ein Puzzle sei, sein Ich, seine Identität, sei ein zusammen-gesetztes Bild aus vielen Teilen, die er sich von überallher zusammenklaute. Das machte Sinn für mich. Vorbilder, Idole, Held*innen: von da an die endlose Quelle meines Identitäts-Puzzles. Ein Hauch Radikalität von Frida Kahlo, bitte. Einen Touch bunte Losgelöstheit von Ziggy Stardust. Bitte viel friedvolle Konsequenz von Joan Baez und dabei eine Prise unendliche Freiheitsliebe von Janis Joplin – oh und bitte, bitte lass mich singen können wie Jehnny Beth… .

Zu „RebElles“

Die Ausstellung zeigt zehn Künstlerinnen* aus Musik und Kunst, die aus verschiedenen Gründen nicht nur Vorbilder, sondern auch Idole sind. Die fragmentarischen Collagen spielen mit Zuschreibungen, Klischees und Portraits. Um gemeinsam Vorbilder teilen und die Diskussion um sie über die Ausstellungsräume hinaus tragen zu können, werden Postkarten der aus- gestellten Collagen als Give-Away an die Besucher*innen verteilt.

 

Wo: ZeitRaum by ArTik, Haslacher Straße 43, 79115 Freiburg
Wann: Samstag 9. Oktober 2021, ab 18 Uhr (Vernissage),
Weitere Termine: Midissage: Fr, 22. – So, 24.10.21, 16 – 20 Uhr, Finissage: So, 07.11.21, 15-19 Uhr
Eintritt / Teilnahme: Eintritt frei. Keine Voranmeldung nötig. Für diese Veranstaltung gilt die 3G-Regel, Kontaktnachverfolgung sowie Maskenpflicht.
Weitere Informationen: https://www.severine-kpoti.de und www.slmkp.com